Woher wir kommen – wohin wir gehen

Unser Rück- und Ausblick-Flyer für 2020, auch als PDF zum Download.

Ein Hauch von Marktsozialismus

Im Herbst 2017 haben wir unser Abenteuer „Rotes Berlin“ begonnen. Vieles hat sich auf dem Weg ergeben, was zu Beginn nicht absehbar, geschweige denn planbar war. Heute drucken wir weniger Zeitungen als damals angekündigt und verkaufen dafür mehr Bücher, Spiele und Geschenkpapier. Es lohnt sich, diese Entwicklungsgeschichte noch einmal zu erzählen und zu erklären, was aus den Plänen von damals geworden ist. Ich spreche dabei gerne von „wir“, obwohl ich formal korrekt als Einzelunternehmer „ich“ sagen müsste, denn das Projekt ist in einen Kreis guter Freunde eingebettet, die gerne und oft ihre Meinung einbringen.
Wir haben uns zu Beginn bewusst in das Abenteuer „Markt trifft Sozialismus“ gestürzt. Ein wesentliches Ziel war es, wirtschaftlich aktiv zu werden und die Dinge, die wir in der deutschen Linken vermissen, in einer Form zu erschaffen, die fähig ist, sich selbst zu tragen. Also aus eigenen Mitteln, ohne Fremdkapital oder Spender im Hintergrund. Und es sollte darum gehen, mit den vielen Menschen in der Linken in Kontakt zu treten und nach Dingen zu suchen, die ihnen fehlen oder die ihr Leben in der Linken angenehmer machen könnten. Dinge, die sich in Produkte umsetzen, vermarkten und so den Menschen zugänglich machen lassen würden. Und es zeigte sich: Es gibt jede Menge Kleinigkeiten, die das Leben in der Linken verbessern können. Die Nachfrage ist vorhanden.

Die „Rote Zeitung“

Die ursprüngliche Idee hinter Rotes Berlin war die Erschaffung einer offenen, modularen Massensteckzeitung, mit der Werbung für den linken Kulturraum gemacht werden kann. Unter diesem Kulturraum verstehen wir den ganzen Kosmos an Organisationen, Festen, Literatur und Zeitungen, Initiativen und vielem mehr. Modular bedeutet, dass es ein bundesweites Angebot gibt, das von lokalen oder regionalen Projekten kostengünstig angepasst werden kann. „Rotes Berlin“ war dabei ein Arbeitstitel, da alle Beteiligten zu diesem Zeitpunkt in Berlin lebten, aber eigentlich war das Konzept nie für Berlin erdacht. Mein persönliches Ziel ist eine Lokalausgabe „Rotes Ravensburg“ unter einer Regionalausgabe „Rotes Oberschwaben“. Um das Projekt offen für alle Linken zu halten, gilt eine wesentliche inhaltliche Einschränkung, nämlich kompromisslose Solidarität: Nur Positives über die Linke zu berichten! Also ein rigoroses Verbot, interne linke Kleinkriege mit dieser Zeitung in die Öffentlichkeit zu tragen – die interessieren Otto Normalverbraucher sowieso nicht. Zur Finanzierung von Druck, Vertrieb und Inhalten wird die Zeitung für 20 Cents pro Exemplar verkauft, allerdings nicht als Einzelexemplar an den Leser, sondern als Bündel an Organisationen oder an Genossinnen und Genossen, die über ausreichendes Einkommen verfügen. Zur Verwirklichung dieses Konzepts läuft die Arbeit an der Programmierung eines Online-Systems, dessen Ausrichtung allerdings – genau wie unsere Produktpalette – immer wieder neu ausgerichtet wird.

Die Produktpalette wird bunter

Dass dieses Konzept der Zeitung schwer an den Mann zu bringen sein würde, war von Anfang an klar. Aber der Prozess des Bewerbens ergab viele Möglichkeiten, neue Nebenprojekte zu starten, die jetzt deutlich rentabler laufen und uns damit die Perspektive eröffnen, die Zeitung zu einem späteren Zeitpunkt zu realisieren.
Das Gebot der kompromisslosen Solidarität innerhalb der Linken wenden wir insbesondere auf die sozialistischen Staaten (Kuba, China, Vietnam, Laos, DVR Korea) an. Das provoziert natürlich heftige Gegenreaktionen. Ist das Sozialismus in China? Die Angriffe gegen die VR China und auch gegen die Wirtschaftsreformen auf Kuba folgen dabei demselben Muster, einer kategorischen Ablehnung von Marktmechanismen. Der Genosse Marcel Kunzmann, Kuba-Experte und ab Oktober 2017 für ein Jahr bei unserem Projekt sozialversicherungspflichtig beschäftigt, hat sich der Sache nach vielen zähen Diskussionen an unseren Infoständen angenommen. So entstand das Buch Theorie, System & Praxis des Sozialismus in China, das wir selbst verlegt haben, denn schließlich waren wir ja eh dabei, einen (Zeitungs-)Verlag aufzuziehen. Und weil das Thema „Staatssozialismus heute“ plötzlich schon so weit oben auf der Tagesordnung stand, haben wir uns entschlossen, als Ergänzung Xi-Jinping- und Miguel-Díaz-Canel-Fanshirts zu drucken.
Ein zweiter Kassenschlager ist das Kartenspiel Leeren der Revolution. Es entstand 2018 zum Fest der Linken, zu dem jeder Infostand ein Spiel- und Mitmachangebot beisteuern sollte. Nach einigem Grübeln kam die Idee: Für das Fest der Partei DIE LINKE mal was schön politisch Unkorrektes beisteuern. Also adaptierten wir den Spieleklassiker „Cards against Humanity“ und erschufen einen Satz an Lückentexten und Antworten, der es in sich hat. Mauertote inklusive. Auch hier machte sich die Lohnarbeit des Genossen Kunzmann bezahlt, der den Basissatz von über 600 Karten in einem 48-stündigen Anfall von Kreativität zusammentrug. Seit dem UZ-Pressefest 2018 ist das Spiel jetzt in seiner heutigen Form erhältlich und hat eine beträchtliche Fangemeinde gewonnen. Im Herbst 2019 haben wir mit Leeren der Revolution: Dong Fang Hong (mal wieder was zu China…) das erste Erweiterungspaket nachgeschoben. Ein heißer Kandidat für die nächste Erweiterung ist Leeren der Revolution: Land der Berge, um unseren Fans in Österreich noch besser gerecht werden zu können.
Zu Weihnachten 2018 kam dann die Idee auf, als Gag für den Online-Shop Hammer-und-Sichel-Geschenkpapier auf den Markt zu werfen. Wir konnten uns zu dem Zeitpunkt aber nicht vorstellen, wie groß die Nachfrage nach einem derart simplen Produkt tatsächlich sein würde! Wir haben mittlerweile hunderte von Bögen davon verkauft und dabei gelernt, dass es vielleicht auch gerade solche Kleinigkeiten sind, die weiter forciert werden müssen, um eine kulturelle linke Identität vor dem Hintergrund eines übersättigten Kapitalismus zu ermöglichen. Sie sind ein kleiner Beitrag für ein angenehmes Zusammenleben, das die deutsche Linke benötigt, wenn sie nicht untergehen will.

Mehr Wissenschaftlichkeit wagen

Neben dem Spaß am Leben steht natürlich die tägliche Arbeit für den Sozialismus. Diese wollen wir unterstützen, indem wir unseren verlegerischen Schwerpunkt „Staatssozialismus heute“ weiter ausbauen. Dazu suchen wir ständig neue Autorinnen und Autoren, die einen positiven Bezug dazu mit wissenschaftlichen Arbeiten vermitteln wollen. Andererseits wollen wir durch unseren Shop lesenswerte Literatur anderer Verlage zugänglich machen. So haben wir als erstes die auch auf Deutsch verfügbaren Schriften von Xi Jinping ins Programm aufgenommen. Außerdem arbeiten wir momentan daran, Bücher des Verlags Canut (Istanbul), der deutsche und englische Übersetzungen aktueller marxistischer Schriften aus der VR China anfertigt, besser zugänglich zu machen.
Es bleibt also viel zu tun! Wir freuen wir uns auf Eure Rückmeldung und Gespräche am Infostand.
Rote Grüße,

Dr. Mirco Kolarczik